Der digitale Vertrieb


Herr Hilbert, worin sehen Sie Ihre wesentliche Aufgabe als Vertriebsleiter eines mittelständischen IT-Unternehmens?
Karl-Heinrich Hilbert: Eindeutig in der Generierung und Steigerung der Umsätze. An dieser Aufgabe hat sich auch im Vergleich zu früher nicht wesentlich etwas verändert: In der Produktentwicklung wird Innovation und Produktivität erzeugt, während mein Vertriebsteam die Produkte und Dienstleistungen am Markt und bei Kunden lancieren muss, um Umsätze zu erwirtschaften und Gewinne zu erzielen.
Was heißt dies für die Kundenbeziehung?
Hilbert: Langfristige Kundenbindungen sind nach wie vor extrem wichtig für den Vertriebs- und Geschäftserfolg, doch das Vorgehen im B2B-Vertrieb befindet sich derzeit in einer großen Umbruchsphase.
Wie sehen Sie diesen Umbruch?
Hilbert: Als ich in den 80er-Jahren bei dem IT-Systemhaus startete, waren Kunden und Produkte überschaubar. Wir hatten nur wenige Produkte und Dienstleistungen, welche die Kunden auch wirklich im Unternehmen brauchten.
Das hat sich gewandelt. Einerseits ist unser Angebot heute komplexer, andererseits sind die Kunden wie auch Interessenten informierter. Das Internet hat Produkte und Dienstleistungen vergleichbarer gemacht, weltweit. Zudem wurde aus dem Neukundengeschäft der Anfangsjahre ein Ablösegeschäft, was sich auf den Vertrieb auswirkt.
Was bedeutet das für Kundenbeziehungen?
Hilbert: Die 1:1-Kundenbeziehung wird im digitalen Zeitalter immer mehr aufgebrochen in eine 1:n-Beziehung, wobei das n oft eine noch wenig greifbare Unbekannte ist. Doch digitale Vertriebsmöglichkeiten erlauben es uns, neue Wege zu beschreiten, Kunden beispielsweise im Social Selling anzusprechen, auf Feedback schneller und direkter zu reagieren. Hierbei spielen Social Media und Kollaborations-Plattformen eine außerordentlich wichtige Rolle.
Worin besteht künftig die Rolle der Vertriebsmitarbeiter in Ihrem Team?
Hilbert: Dem Außendienstmitarbeiter und Kundenberater kommt heute eine veränderte Rolle zu – war unser Vertrieb anfangs auf den Produktverkauf ausgerichtet, wurde er später zum Berater und Problemlöser bei den Kunden. Jetzt muss ein Vertriebler quasi eine eierlegende Wollmilchsau sein – Verkäufer, Problemlöser und strategischer Berater. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen.
Wie hat sich Ihre Aufgabe verändert?
Hilbert: Meine Aufgabe als Vertriebsleiter ist es, das Team dahingehend zu steuern. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die permanente Schulung auf die sich verändernden, komplexeren Produkte und Dienstleistungen, auf wechselnde Vertriebsstrategien.
In einer digitalen Welt ist die Kommunikation auf Augenhöhe mit den Kunden extrem wichtig, um weiterhin langfristige und vertrauenswürdige Kundenbeziehungen zu erhalten und neue aufzubauen. Umso wichtiger ist es, dem Kunden zuzuhören, seine individuellen Anforderungen ernst zu nehmen, ihm ein guter Begleiter zu sein.
Wie sieht das konkret aus?
Hilbert: Um ein Beispiel zu nennen: Habe ich meinem Außendienst in der Vergangenheit vorwiegend Produktschulungen verordnet, kommen jetzt Technologie-Schulungen hinzu und Weiterbildungen zur Digitalisierung, bis hin zu Online-Marketing und Social-Media-Selling.
Ist das nicht schwierig bei einer heterogen gewachsenen Vertriebsmannschaft?
Hilbert: Sicher, denn wir haben viele erfahrene Vertriebsberater und die Generation Y rückt nach. Junge Mitarbeiter im Vertrieb wollen von Anfang an aktiv mitgestalten und sind andere Arbeits- und Kommunikationsweisen gewohnt.
Darauf muss ich mich als Vertriebsleiter 4.0 einstellen. Es gilt, festgefahrene Wege zu verlassen, der Generation Y genug Spielraum zu lassen.
Und wie gehen Sie mit dem permanenten Change um?
Hilbert: Das ist eine der größten Herausforderungen im modernen Vertrieb: Was sich heute verändert, ist vielleicht morgen schon wieder überholt, auf Multi-Channel folgt Omni-Channel und wir wissen noch nicht, was dann kommen wird. Trotzdem muss ich meinen Vertrieb darauf vorbereiten, für diesen kontinuierlichen Change gewappnet zu sein und sich immer wieder neuen Chancen zu öffnen.
Worin besteht die Herausforderung im Besonderen?
Hilbert: Die Steuerungsinstrumente zu beherrschen macht den Vertrieb erfolgreich. Pipeline- und Funnel-Management anhand von Daten ist bei Weitem keine leichte Aufgabe. Interne Vertriebskennzahlen, Forecasts und Marktdaten müssen ermittelt und Außendienstler dazu diszipliniert werden, ihre Daten konsequent festzuhalten. Nur so gelingt es mir am Ende, ein Profivertriebsteam aufzubauen, das der digitalen Herausforderung gewachsen ist.